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AG Potsdam zur persönlichen Beratung im Sinne des § 305 InsO

Aus dem aktuellen Newsletter von RA Kai Henning: „Eine persönliche Beratung i.S.d. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO setzt ein eingehendes, umfangreiches Gespräch im Rahmen eines persönliches Beieinandersein voraus. Nur ausnahmsweise kann auch ein Telefonat zwischen den Beteiligten diese Voraussetzungen erfüllen. Ist ersichtlich, dass die Bescheinigung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners ausgestellt worden ist, hat das Insolvenzgericht den Antrag als unzulässig zurückzuweisen. AG Potsdam Beschl. v. 19. 2. 2015 – 35 IK 1239/14 –

Anmerkungen: Das Amtsgericht Potsdam betont mit dieser Entscheidung die Wichtigkeit einer qualifizierten und ausführlichen Beratung des Schuldners über das Verbraucherinsolvenzverfahren. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Auch der Bundesarbeitskreis Insolvenzgerichts e.V., in dem Insolvenzrichter und -rechtspfleger engagiert sind, hat sich am 21.11.14 in einer Entschließung zu § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO n.F. ähnlich geäußert. Allerdings wirft die Entscheidung einige grundlegende Fragen auf. Auch sollte bei den Bemühungen um eine seriöse Beratung nicht zu Lasten der Schuldner über das Ziel hinaus geschossen werden.

Die Auslegung des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO darf die besondere Gesetzeshistorie nicht außer Acht lassen. Die zum 1.7.14 eingefügte Ergänzung „persönliche Beratung“ erfolgte, da der Gesetzgeber zunächst den Zwang zu aufwändigen außergerichtlichen Verhandlungen abschaffen wollte. Die mit den außergerichtlichen Verhandlungen verbundene Beratung und Betreuung des Schuldners sollte durch das neue Erfordernis einer „persönlichen Beratung“ ersetzt werden, an die sich das Ausstellen einer Aussichtslosigkeitsbescheinigung anschließen sollte. Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wurde allerdings die Idee der Aussichtslosigkeitsbescheinigung  wieder fallengelassen und statt dessen kehrte der Gesetzgeber zur bisherigen Verpflichtung, stets außergerichtliche Verhandlungen führen zu müssen, zurück (Gesetzesbegründung BT-Drucks. 17/13535, S. 41). Damit wurde die alte Rechtslage, nach der eine inhaltliche Überprüfung der außergerichtlichen Verhandlungen nur sehr eingeschränkt erfolgen kann (Ahrens Das neue Privatinsolvenzrecht ZIP Praxisbuch 2014 Rdnr. 153; Heidelberger Kommentar/Waltenberger 7. Aufl. § 305 Rdnr. 34), wieder hergestellt. Auch der in der aktuellen Gesetzesbegründung enthaltenen Passus „Die vom Schuldner vorgetragene und von der geeigneten Person oder Stelle bescheinigte Aussichtlosigkeit eines außergerichtlichen Einigungsversuchs kann vom Gericht überprüft werden“ (BT-Drs. 17/11268, S. 34) bezieht sich auf die nicht Gesetz gewordene Aussichtslosigkeitsbescheinigung (Ahrens a.a.O.) und dürfte von daher keine besondere Bedeutung mehr haben. Auch aus diesem besonderen Ablauf wird daher zu Recht geschlossen, dass die neue Anforderung der persönlichen Beratung von der geeigneten Person oder Stelle in eigener Verantwortung zu erfüllen ist, und dass eine richterliche Überprüfung nicht erfolgt (Heyer ZVI 2013, 217).

Wer gleichwohl eine richterliche Prüfung in der durch das AG Potsdam erfolgten Form für angebracht und zulässig hält, muss dem Schuldner zumindest die üblichen Verfahrensrechte zugestehen. Das Gericht hätte dem Schuldner durch einen richterlichen Hinweis die Möglichkeit zur Ergänzung geben müssen, auch wenn es sich nicht um ein Fall der Unvollständigkeit des Formulars gem. § 305 Abs. 3 InsO handelt (BGH ZInsO 2003, 217). Der Schuldner hätte sich dann in einer angemessenen Frist persönlich beraten lassen und dies dem Gericht nachweisen können. Nur wenn der Schuldner der Ergänzungsaufforderung nicht nachgekommen wäre, hätte die Zurückweisung des Antrags erfolgen dürfen.

Die Gerichte können gleichwohl im Rahmen einer sekundären Rechtskontrolle (Ahrens a.a.O.) effektiv gegen unseriöse Berater vorgehen, indem sie den Aufsichtsbehörden der geeigneten Personen und Stellen das Ausstellen von Bescheinigungen ohne Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben anzeigen. Diese Vorgehensweise trifft die wahren Schuldigen.“