Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 24.04.2015. Aktenzeichen: 12 UF 225/14, Leitsätze:
Das Interesse des unterhaltspflichtigen Elternteils an einer Erstausbildung tritt jedenfalls dann hinter dem Interesse des Kindes auf Zahlung des Mindestunterhalt zurück, wenn der Unterhaltsverpflichtete bereits mehrere Erstausbildungen abgebrochen hat und aufgrund seiner Schulausbildung sowie sonstigen beruflichen Erfahrung in der Lage ist, eine berufliche Tätigkeit auszuüben, mit der er sowohl sein Einkommen als auch den Mindestunterhalt erwirtschaften kann.
Aus der Entscheidung:
„Das Interesse eines unterhaltspflichtigen Elternteils, unter Zurückstellung bestehender Erwerbsmöglichkeiten eine Aus- oder Weiterbildung aufzunehmen, tritt grundsätzlich hinter dem Unterhaltsinteresse seiner Kinder zurück. Einer Erstausbildung ist demgegenüber zwar regelmäßig auch gegenüber der gesteigerten Unterhaltspflicht aus § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB der Vorrang einzuräumen. Denn die Erlangung einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf gehört zum eigenen Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen, den dieser grundsätzlich vorrangig befriedigen darf (BGH, FamRZ 2011, 1041; OLG München, FamRZ 2013, 793).
Insoweit sind allerdings alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Tatsache, warum der Unterhaltspflichtige gerade jetzt seine Erstausbildung durchführt und wie sich dies langfristig auf seine Leistungsfähigkeit für den Kindesunterhalt auswirkt. Die gebotene Einzelfallbetrachtung zeigt hier, dass es im vorliegenden Fall nicht angezeigt ist, dem Ausbildungsinteresse der Antragsgegnerin Vorrang vor dem Interesse des Kindes an Zahlung des Mindestunterhalts einzuräumen. Die im August 2014 aufgenommene Ausbildung/Umschulung stellt gerade nicht den ersten Versuch der Antragsgegnerin dar, eine Berufsausbildung zu erlangen. Sie hat in der Vergangenheit schon mehrere Anläufe unternommen, diese aber jedes Mal abgebrochen.“
Normen: § 1603 Abs. 2 BGB; Vorinstanz: Amtsgericht Bünde, 7 F 122/14