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LSG Schleswig zu Hartz IV: Auch Geld, das auf ein überzogenes Girokonto fließt, ist anzurechnen

RA Helge Hildbrandt weist auf seiner ohnehin lesenswerten Webseite www.sozialberatung-kiel.de auf eine Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen LSG hin. SG Kiel, Beschluss vom 27.02.2015, S 28 AS 44/15 ER, aufgehoben durch SH LSG, Beschluss vom 18.03.2015, L 6 AS 38/15 ER; die Rechtsfrage ist unter dem Az. B 14 AS 10/14 R beim BSG anhängig. [Ergänzung 13.7.2015: siehe www.soziale-schuldnerberatung-hamburg.de/?p=9325]

Siehe auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23. Januar 2014 · Az. L 7 AS 2169/12; daraus: „Unerheblich ist, dass das Girokonto des Klägers bei der Gutschrift des Geldes mit rund 2.985,- EUR überzogen war und die Bank in dieser Höhe eine Verrechnung vorgenommen hat. Dem Grundsatz folgend, dass die staatlichen Fürsorgeleistungen als letztes Mittel den Lebensbedarf des Betroffenen sichern sollen, ist der Hilfebedürftige grundsätzlich verpflichtet, das Einkommen für sich zu verwenden und zwar auch dann, wenn er dadurch außer Stande gesetzt wird, andere Verbindlichkeiten zu erfüllen (BSG Urteil vom 29.11.2012, Az. B 14 AS 33/12 R). Damit ist Einkommen grundsätzlich also auch all dasjenige, was der Betroffene einsetzt, um sich von einer Schuld zu befreien. Der „Geldwert“ besteht dann in der Befreiung von der Verbindlichkeit.

Auch in solchen Fällen, in denen Einnahmen – beispielsweise aufgrund von Schuldentilgung – nicht mehr zur Verfügung stehen, ist die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II nicht ausgeschlossen. Die Verweigerung existenzsichernder Leistungen aufgrund der unwiderleglichen Annahme, dass die Hilfebedürftigkeit bei einem bestimmten wirtschaftlichen Verhalten abzuwenden gewesen wäre, ist mit Art. 1 Grundgesetz in Verbindung mit Art. 20 Grundgesetz nicht vereinbar (BSG Urteil vom 29.11.2012, a.a.O.). Aus diesem Grund ist die fiktive Berücksichtigung von Einkommen nicht zulässig. Es ist vielmehr zu prüfen, ob das Einkommen tatsächlich geeignet ist, die Hilfebedürftigkeit zu beseitigen (BSG Urteil vom 29.11.2012, a.a.O.). Maßgeblich ist, ob das Einkommen als bereites Mittel geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken (BSG Urteil vom 29.11.2012, a.a.O.).

Soweit Einkommen gepfändet (oder aufgrund anderer vergleichbarer Situationen wie beispielsweise Aufrechnung/Verrechnung) dem Konto des Betroffenen nicht gutgeschrieben wird, ist einzelfallbezogen zu prüfen, ob es dem Betroffenen im Rahmen der Selbsthilfeobliegenheit nach § 2 SGB II zuzumuten war, auf die Rückgängigmachung der Pfändung hinzuwirken (BSG Urteil vom 10.05.2011, Az. B 4 KG 1/10 R). Hierbei ist die Situation der Rückgängigmachung einer Pfändung/Aufrechnung vergleichbar mit der Ausgangslage bei der Verwirklichung von Forderungen, die dem Betroffenen aufgrund der Subsidiarität der staatlichen Fürsorgeleistungen zugemutet wird. Bei der Obliegenheit zur Verwirklichung von Forderungen gilt, dass eine Forderung nur dann als Einkommen angerechnet werden kann, wenn sie in angemessener Zeit durchsetzbar ist (BSG Urteil vom 10.05.2011, a.a.O.). Bei der Einzahlung bzw. Gutschrift eines Geldbetrages auf ein überzogenes Konto mit der Folge, dass das Soll des Kontos ausgeglichen wird, und der Betroffene in dieser Höhe von seinen Schulden gegenüber der Bank befreit wird, handelt es sich daher lediglich um eine bestimmte Form der Einkommensverwendung. Die Einnahme verliert hierdurch nicht ihren Charakter als Einkommen (BSG Urteil vom 30.07.2008, Az. B 14 AS 26/07R).“

Diese Seite wurde (zuletzt) aktualisiert am: 13.07.2015