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BGH hält bei Kapitallebensversicherungen einen Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte (§ 850i ZPO) für möglich, auch wenn die Voraussetzungen des besonderen Pfändungsschutzes bei Altersrenten (§ 851c ZPO) nicht gegeben sind

Hier der Hinweis auf BGH, 29.04.2021, IX ZB 25/20 mit den Leitsätzen:

  • Erhält der Schuldner aus einer Kapitallebensversicherung, die ihm zur Sicherung für Ansprüche aus einer für seine Tätigkeit als Geschäftsführer erteilten Pensionszusage wirksam verpfändet ist, nach Pfandreife eine Einmalleistung, kann er hierfür Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte geltend machen.
  • Dem steht nicht entgegen, dass die Voraussetzungen des besonderen Pfändungsschutzes bei Altersrenten nicht gegeben sind.

Anmerkung RA Kai Henning in seinem aktuellen Newsletter: „Mit dieser Entscheidung klärt der 9. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs das Verhältnis der §§ 851c und 850i ZPO. Der Ansicht, dass allein § 851c ZPO anzuwenden ist, wenn ein Versicherungsvertrag mit Vorsorgeleistung betroffen und damit ein Schutz nicht gegeben ist, wenn seine Voraussetzungen nicht vorliegen, teilt der BGH nicht.

Des Weiteren stellt der BGH fest, dass zumindest dann, wenn die Versicherungsleistung auf ein vom Insolvenzverwalter eingerichtetes Anderkonto überwiesen wurde, ein Schutzantrag des Schuldners nach § 850i ZPO auch nach Auszahlung noch zulässig ist. Aus Schuldnersicht sollte ein Schutzantrag aber grundsätzlich möglichst vor Auszahlung der Versicherungsleistung gestellt werden.

Schließlich gibt der BGH dem LG Nürnberg-Fürth als Beschwerdegericht auf, nunmehr zu entscheiden, in welchem Umfang die Versicherungsleistung geschützt ist. Die anstehende Prüfung entspricht der im Fall einer massezugehörigen Direktversicherung, zu der der Schuldner ebenfalls einen Schutzantrag nach § 850i ZPO stellen kann (vgl. BGH Beschl. 20.12.2018 -IX ZB 8/17-). Bei dieser Prüfung ist zu berücksichtigen, dass der Umfang des Schutzes nach § 850i Abs. 1 S. 1 ZPO grundsätzlich darauf gerichtet ist, dem Schuldner so viel zu belassen, als wenn er als abhängig Beschäftigter Einkommen erzielen würde. Orientierungsgröße ist folglich die Pfändungstabelle des § 850c ZPO. Erzielt der Schuldner verschiedene Renten oder zusätzliches Arbeitseinkommen werden diese gem. § 850e ZPO zusammengerechnet. Bei der freien Würdigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners nach § 850i Abs. 1 S. 2 ZPO dürfte neben seinen nicht mehr bestehenden weiteren Verdienstmöglichkeiten auch der besondere Charakter der Altersversorgung, die nach dem Arbeitsleben ein ausreichendes Einkommen für ein altersangemessenes Leben ermöglichen soll, zu berücksichtigen sein. Es kann also durchaus vertreten werden, wie es der Schuldner auch beantragt, eine lebenslange Aufstockung des vorhandenen Einkommens auf den jeweils unpfändbaren Betrag vorzunehmen. 

Fraglich ist, ob dem Schuldner ein Einmalbetrag oder eine monatliche, halbjährliche oder jährliche Auszahlung zuzusprechen ist, da der BGH die Berücksichtigung weiterer, zukünftiger Einnahmen ausdrücklich anmahnt. Eine Einmalzahlung wäre praxisfreundlich, ließe aber u.U. berechtigte Interessen der Gläubiger außer Betracht, wenn bspw. an einen unerwarteten Vermögenszuwachs beim Schuldner oder einen frühen Tod gedacht wird. Auch § 851c Abs. 2 ZPO stellt hohe Beträge unter Berücksichtigung des Sterblichkeitsrisikos frei, die aber in Form einer monatlichen Rente ausgezahlt werden. Alternative zur einmaligen Auszahlung des gesamten Versicherungsguthabens ist die Auszahlung in Teilbeträgen. Eine durch sich verändernde Verhältnisse erforderliche Anpassung der Zahlungen könnte über § 850g ZPO erfolgen, der gem. § 36 Abs. 1 InsO auch im Insolvenzverfahren Anwendung findet. Dies würde aber eine u.U. jahrzehntelange Abwicklung und damit eine erhebliche Belastung für alle Beteiligten bedeuten. Der Entscheidung des Beschwerdegerichts und dem möglichen weiteren Verfahrensverlauf kann daher mit Spannung entgegengesehen werden.