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Praxisbericht Klaus Helke zur Eröffnung Insolvenzverfahren und Wohnungslosigkeit

„Hier in Hannover gibt es jetzt endlich Klarheit hinsichtlich des Anspruchs von Wohnungslosen auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens. Bekanntlich schwirrt ja in vielen Köpfen von Kollegen/-innen die Vorstellung, dass InsO_Verfahren für  Wohnungslose nicht möglich seien.

Wir standen die letzten Wochen in einer konstruktiv-spannenden Auseinandersetzung mit dem AG InsO Hannover um die Frage, ob einem Schuldner ohne Meldeadresse, der aber postalisch über unsere Beratungsstelle (ZBS Hannover) erreichbar ist (ohne Verfahrensbevollmächtigung!) das Recht der InsO-Verfahrenseröffnung zusteht.

Bekanntlich haben wir seit 20 Jahren Jahr eine ganze Reihe von Schuldnern/-innen in das Verfahren geführt, die wohnungslos waren und über die ZBS Hannover eine Postverwaltung eingerichtet hatten, in erster Linie zwecks Ankopplung an des Rechtskreis des SGB II, d.h. Bezug von ALG II.

Eröffnungsanträge unter diesen Bedingungen  wurden bis auf wirklich wenige Ausnahmen vom AG InsO Hannover faktisch „durchgewunken“, weil es nicht auffiel, dass keine Wohnanschrift vorlag.

Ende letzten Jahres bekam ich aber vereinzelt Informationen aus Kollegenkreisen, in denen über negative Erfahrungen und zurückgewiesene Anträge für den Personenkreis der Wohnungslosen berichtet wurde. Auch wir hatten  wieder eine Zurückweisung. Das Insolvenzgericht argumentierte mit § 27 Abs. 2 Nr. 1 InsO  und einigen Urteilen, die sich aber ausschließlich auf die Problematik in Identitätswechsel im Rahmen von Zeugenschutzprogrammen beziehen (LG Bonn, 01.03.17 6 T 29/17, LG Hamburg, 14.07.05 326 T 7/05, BGH, 09.01.02, IX ZR85/02).

Nach meiner Meinung ist der Verweis auf die Eröffnungsvoraussetzungen, die der § 27 Abs. 2 Nr. 1 InsO beschreibt, aber zu kurz gegriffen. § 27 Abs. 2 Nr. 1 InsO trifft lediglich Aussagen darüber, welche bürokratischen Inhalte in einem Eröffnungsbeschluss wiederzugeben sind. Die dort zu treffenden Angaben, z.B. über den Besitz einer Wohnanschrift, sind aber keine Voraussetzungen eines eröffneten Insolvenzverfahrens. Besitzt der Schuldner keine Wohnanschrift, so ist im Formular einfach ein Strich zu machen. Die postalische Erreichbarkeit des Schuldners kann durchaus anders gegeben sein.

Die aus den Vorschriften des § 27 Abs. 2 Nr. 1 InsO abgeleiteten Kontroll- und Nachforschungsrechte sind bei Wohnungslosen schlicht und ergreifend nicht an einen Wohnsitz koppelbar. Wer keine Wohnung besitzt, kann auch keine goldene Kloschüssel verheimlichen. Die Angabe einer Wohnanschrift eröffnet lediglich die Möglichkeit, im Fall des Vorhandenseins einer Unterkunft „vor Ort“ auch eine Kontrolle des Vorhandenseins dieses vermuteten Gegenstandes vornehmen zu können.

Vor einer Woche kam die Mitteilung, dass sich das AG Hannover nach einem internen Gespräch dieser Meinung anschließt. Die Verfahren werden jetzt über c/o Anschrift der Beratungsstelle eröffnet.“

Klaus Helke, Soziale Schuldnerberatung ZBS Hannover