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BGH: an die Pflegeperson weitergeleitetes Pflegegeld ist unpfändbar

Update 23.2.2023: Anmerkung RA Kai Henning in seinem InsO-Newsletter Februar 2023 zu dieser Entscheidung:

Diese Entscheidung des 9. Zivilsenats des BGH erfordert etwas Konzentration beim Erfassen des Sachverhalts. Denn das Pflegegeld wird hier nicht an den Pflegegeldberechtigten selbst, sondern vielmehr an eine Pflegeperson, die den Pflegegeldberechtigten unterstützt, ausgezahlt. Während das Pflegegeld, das an den Pflegegeldberechtigten selbst ausgezahlt wird, unpfändbar gem. § 54 Abs. 3 Nr.3 SGB I ist (vgl. Henning/Lackmann/Rein/Rein 2. Aufl. § 54 SGB I Rn. 13), greift dieser Schutz nicht, wenn das Pflegegeld an eine Pflegeperson i.S.d. § 19 SGB XI ausgezahlt wird.

In diesem Fall ergibt sich der Pfändungsschutz aber, wie der BGH überzeugend feststellt, aus § 851 ZPO. Konsequenz hieraus ist für den beratenden Praktiker, dass das an die Pflegeperson ausgezahlte Pflegegeld auf deren Konto nicht über eine Pfändungskontobescheinigung, sondern nur auf Antrag gem. § 906 ZPO geschützt werden kann.

Zu beachten ist in der Praxis auch, dass das SGB verschiedene Pflegegelder kennt. U.a. wird nach § 39 SGB VIII an Pflegeeltern ein Pflegegeld ausgezahlt, das nicht als Arbeitseinkommen gilt und unpfändbar gem. § 850a Nr. 6 ZPO ist (vgl. BGH Beschluss vom 4.10.2005 -VII ZB 13/05-; Henning/Lackmann/Rein /Deppe 2. Aufl. § 850a Rn. 29). In der gesetzlichen Unfallversicherung kann der Verletzte ein Pflegegeld nach § 44 SGB VII erhalten, welches gem. § 54 SGB I Abs. 3 Nr. 3 unpfändbar ist.


Hier der Hinweis auf den Beschluss des BGH vom 20.10.2022 – IX ZB 12/22 mit dem Leitsatz:

Das an die Pflegeperson weitergeleitete Pflegegeld ist unpfändbar.

Aus der Entscheidung: [Der Insolvenzverwalter] hat beantragt, bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens das Arbeitseinkommen mit dem Pflegegeld zusammenzurechnen, welches die Schuldnerin für die Versorgung des bei ihr wohnenden autistischen Sohnes erhält. (…)

Pflegegeld wird gewährt, wenn der Pflegebedürftige in seiner häuslichen Umgebung oder im Haushalt einer Pflegeperson gepflegt wird, und soll die Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung des Pflegebedürftigen stärken, der mit der Geldleistung seine Pflegehilfen selbst gestalten kann (BT-Drucks. 12/5262, S. 112 zu § 33). Das Pflegegeld stellt seiner Konzeption nach kein Entgelt für die von der Pflegeperson erbrachten Pflegeleistungen dar. (…) Der Konzeption des Pflegegeldes liegt der Gedanke zugrunde, dass familiäre, nachbarschaftliche oder ehrenamtliche Pflege unentgeltlich erbracht wird (vgl. BVerfG, FamRZ 2014, 911 Rn. 21). Das Pflegegeldergänzt sie nur (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 1 SGB XI). (…)

Die genannten Ziele des Pflegegeldes, die Autonomie des Pflegebedürftigen zu stärken und einen Anreiz für die Aufnahme und Fortsetzung einer häuslichen Pflege zu schaffen, würden nicht erreicht, wenn das Pflegegeld zwar beim Pflegebedürftigen unpfändbar bliebe, bei der Pflegeperson aber als nach den allgemeinen Vorschriften pfändbares Arbeitseinkommen behandelt würde. Der Pflegebedürftige will die Pflegeperson für ihren Einsatz belohnen, nicht aber deren Gläubiger befriedigen oder in anderer Weise begünstigen. Dieses Interesse ist rechtlich schutzwürdig.

Bei dem weitergeleiteten Pflegegeld handelt es sich um eine freiwillige Leistung des Pflegebedürftigen an die Pflegeperson. Diese hat weder gegen den Pflegebedürftigen noch gegen die Pflegekasse (vgl. dazu LSG München, FamRZ 2013, 582, 583) einen Anspruch auf Zahlung oder Weiterleitung von Pflegegeld. Im Falle einer Pfändung durch Gläubiger der Pflegeperson könnte der Pflegebedürftige die Weiterleitung beenden und das Pflegegeld anderweitig einsetzen.

Diese Seite wurde (zuletzt) aktualisiert am: 23.02.2023