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Bürgergeld: Mehrbedarf für die Anschaffung einer Waschmaschine

Helge Hildebrandt hat die Entscheidung SG Kiel, Urteil vom 14.03.2023, S 35 AS 35/22 – Berufung anhängig beim SH LSG, Az. L 6 AS 41/23 – erstritten und stellt diese auf sozialberatung-kiel.de vor. Pflichtlektüre!

Aus der Entscheidung: „Nach § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmeweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. (…)

Die tatbestandlichen Voraussetzungen liegen vor. Dem Kläger entstand mit dem Kauf der Waschmaschine ein besonderer und in seinem Einzelfall auch unabweisbarer Bedarf. Insbesondere steht es dem Leistungsanspruch nicht entgegen,dass bei der Berechnung des Regelbedarfes der auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) ermittelte durchschnittliche Ausgabewert für die Position Waschmaschinen, Wäschetrockner, Geschirrspül- und Bügelmaschinen Berücksichtigung fand. Die Ermittlung dieser Durchschnittsausgaben ist für die Berechnung existenzsichernder Leistungen nicht aussagekräftig genug. (…)

Es ist schon im Grundsatz so, dass sich bei langlebigen teuren Gütern eine hohe Differenz zwischen dem sich aus der EVS ergebenen Durchschnittswert bei den Ausgaben und den realen Anschaffungspreisen zeigt. Dies folgt daraus, dass sich die Datenerhebung bei den an der EVS teilnehmenden Haushalte jeweils nur über ein Quartal erstreckt (vgl. für die Details S. 17 ff. Statistisches Bundesamt Fachserie 15, Heft 7, EVS 2018). Der Erwerb einer neuen Waschmaschine fällt hingegen – wie im Fall des Klägers gut zu sehen – nur im Abstand von mehreren Jahren an.

Bei sehr langlebigen Konsumgütern, die über Jahre im Einsatz sind, bildet diese Art der Datenerhebung daher keine hinreichend aussagekräftige Datengrundlage für die Berechnung existenzsichernder Leistungen. Dies zeigt auch die Gegenprüfung, wie lange ein Leistungsberechtigter sparen müsste, um für den durchschnittlichen Wert in Höhe von 1,60 EUR für Waschmaschinen, Wäschetrockner, Ge-schirrspülund Bügelmaschinen (Ergebnis der EVS 2018) eine Waschmaschine erwerben zu können. (…)

Auch wenn der Gesetzgeber mit Blick konkret auf die Anschaffung einer Waschmaschine wiederholt auf die Darlehensmöglichkeit nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II verwies (unter Hinweis auf die Einmaligkeit der Bedarfslage BT-Drucksache 17/1465, S. 8; so auch in BR-Drucksache 15/1516, S. 53), überzeugt dieser Verweis in der Rechtsanwendung nicht, da der Verweis des Leistungsberechtigten auf ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II voraussetzt, dass der Bedarf, für den ein Darlehen gewährt werden soll, vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes umfasst ist. Zur Überzeugung der Kammer umfasst der Regelbedarf die Kosten für die Anschaffung einer Waschmaschine auf Basis der Daten der EVS 2018 aber gerade nicht, da die EVS insoweit keine hinreichend aussagekräftigen Daten bereitstellt. (…)

Dem Anspruch steht entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten auch keine verspätete Antragstellung nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II entgegen, da die Gewährung eines Mehrbedarfes nach § 21 Abs. 6 SGB II keines isolierten Antrages jenseits des eigentlichen Leistungsantrages bedarf; anderes gilt nach § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB II für die Leistungen nach § 24 Abs. 1, 3 oder nach § 28 Abs. 5 SGB II.“