Der BGH hat eine sehr bedeutsame Entscheidung zur Anmeldung einer Forderung aus vorsätzlich begangener Unterhaltspflichtverletzung gefällt, die zwar mühsam zu lesen ist, aber wohl Pflichtlektüre sein dürfte. Die Leitsätze von BGH, 21.03.2024 – IX ZB 56/22 lauten:
1a. Der Anmeldung eines Schadensersatzanspruchs wegen einer vorsätzlich begangenen Unterhaltspflichtverletzung muss der konkrete Zeitraum zu entnehmen sein, für den der Schuldner Unterhalt schuldet, dass und in welchem Umfang der Schuldner den geschuldeten Unterhalt nicht bezahlt hat und dass es sich aus Sicht des Gläubigers um ein vorsätzliches Delikt, beispielsweise eine Straftat handelt.
1b. Macht ein Gläubiger neben einer Insolvenzforderung zusätzlich einen auf die Insolvenzforderung bezogenen Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung aus einem anderen Streitgegenstand als dem der Insolvenzforderung geltend, erstreckt sich der Widerspruch des Schuldners gegen den Rechtsgrund im Zweifel auf die aus dem anderen Streitgegenstand angemeldete Forderung insgesamt.
2. Die durch eine Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren eingetretene Hemmung der Verjährung endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des Insolvenzverfahrens durch Aufhebung oder Einstellung; auf die Entscheidung über eine Restschuldbefreiung kommt es nicht an.
Ergänzend zu Leitsatz 1a) Rz. 31f.: „Der Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung muss dazu in der Anmeldung so beschrieben werden, dass der aus ihm hergeleitete Anspruch in tatsächlicher Hinsicht zweifelsfrei bestimmt ist und der Schuldner erkennen kann, welches Verhalten ihm vorgeworfen wird (BGH, Urteil vom 9. Januar 2014 – IX ZR 103/13, WM 2014, 270 Rn. 8). Aus der Anmeldung muss daher klar hervorgehen, aus welchem Lebenssachverhalt sich der deliktische Charakter der Forderung ergibt.
Es muss erkennbar sein, für welchen Zeitraum der Gläubiger Schadensersatz wegen nicht bezahlten Unterhalts fordert. Für einen Schadensersatzanspruch wegen einer vorsätzlich begangenen Unterhaltspflichtverletzung sind daher mindestens drei Angaben erforderlich. Der Gläubiger muss aufzeigen, für welchen konkreten Zeitraum der Schuldner Unterhalt schuldet. Der Gläubiger muss weiter angeben, dass und in welchem Umfang der Schuldner den geschuldeten Unterhalt nicht bezahlt hat. Schließlich muss der Gläubiger mitteilen, dass es sich um einen Anspruch aus einem vorsätzlichen Delikt, beispielsweise einer Straftat – im Streitfall § 170 Abs. 1 StGB – handelt.
Hingegen genügt es für eine wirksame Anmeldung nach § 174 Abs. 2 InsO nicht, wenn der Gläubiger ausschließlich den Forderungsbetrag angibt und auf dem Anmeldeformular das Kästchen „Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung“ ankreuzt. Das Gesetz verlangt die Angabe von Tatsachen, aus denen sich nach Einschätzung des Gläubigers ergibt, dass der Forderung eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zugrunde liegt. Dem ist nicht schon dadurch Genüge getan, dass der Gläubiger die Forderung als eine solche „aus vorsätzlich begangener Handlung“ bezeichnet.“
Auch die Ausührungen zum Leitsatz 2 sind sehr lesenswert! Vor allem Rz. 38: „Die Verjährungsfrist für rechtskräftig festgestellte Ansprüche gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB ist nicht anwendbar, weil etwaige Ansprüche der Antragsgegnerin aus einer vorsätzlichen Verletzung der Unterhaltspflicht nicht rechtskräftig festgestellt sind. Rechtskräftig festgestellt sind nur solche Ansprüche, die vom Streitgegenstand umfasst sind (vgl. MünchKomm-BGB/Grothe, 9. Aufl., § 197 Rn. 20). Streitgegenstand des von der Antragsgegnerin erwirkten Unterhaltsbeschlusses vom 8. Mai 2013 sind ausschließlich die (wiederkehrenden) Leistungen auf Trennungsunterhalt. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170 Abs. 1 StGB hat einen anderen Streitgegenstand als der Unterhaltsanspruch nach § 1361 BGB (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – IX ZB 33/14, BGHZ 209, 168 Rn. 26). Der Unterhaltsbeschluss vom 8. Mai 2013 betrifft nur Ansprüche auf Trennungsunterhalt; zudem gilt insoweit für die künftig fällig werdenden Unterhaltsansprüche gemäß § 197 Abs. 2 BGB die regelmäßige Verjährungsfrist. Hingegen erstreckt sich der Streitgegenstand des Beschlusses nicht auf den Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170 Abs. 1 StGB.“