Wann sind welche Inkassokosten zu zahlen? Um diese Frage in einer konkreten Situation zu beantworten sind zwei Gedankenschritte erforderlich:
1. Sind im konkreten Fall überhaupt Inkassokosten zu zahlen?
2. Wenn ja, in welcher Höhe sind dann Inkassokosten gerechtfertigt?
Auf dieser Seite geht es um die erste Frage. Zur Höhe der Inkassokosten siehe Folgeseite / Teil 2.
I. Verzug als Rechtsgrundlage
1) Grundsatz
Grundsätzlich gilt, dass der Schuldner dem Gläubiger den Schaden, den er durch seine Nichtzahlung bzw. verspätete Zahlung verursacht hat, als Verzugsschaden zu erstatten hat. Siehe hierzu den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 7.9.2011 (BVerfG, 1 BvR 1012/11):
„Die Kosten eines Inkassobüros können – wenngleich im Einzelnen manches umstritten ist -(…) unbeschadet bestimmter Einschränkungen, grundsätzlich als Verzugsschaden geltend gemacht werden.
Nach herrschender Meinung anerkannte Einschränkungen sind etwa, dass die Höhe der geltend gemachten Kosten die alternativ bei Beauftragung eines Rechtsanwalts entstehenden Kosten nicht übersteigen dürfen und dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Beauftragung nicht bereits von vornherein erkennbar zahlungsunwillig gewesen ist.“ (Rechtsprechungs- und Literaturangaben gestrichen)
www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20110907_1bvr101211.html
Grundlage der Erstattung von Inkassokosten ist also, dass der Schuldner sich im „Verzug“ befindet -> Ohne Verzug keine Inkassokosten!
2) Besteht die geltend gemachte (Haupt-) Forderung überhaupt zu Recht?
Es klingt simpel, aber vorweg gehört die Feststellung, dass ein Verzug natürlich nur dann möglich sein kann, wenn die Forderung, um die es geht – die sgo. „Hauptforderung“ – zu recht besteht.
Das muss nämlich gar nicht der Fall sein, auch wenn sich ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin oder ein Inkassounternehmen meldet. Leider ist zu beobachten, dass auch ungerechtfertigte Forderungen geltend gemacht werden.
Ob eine Forderung zu Recht besteht, ist eine eigenen Wissenschaft für sich. Ein erstes ganz simples Prüfschema findet sich hier. Aber das nur als Einstieg!
3) Verzug
Der Verzug ist in § 286 BGB geregelt. Die Details können kompliziert sein, doch grob lässt sich sagen:
Ein Schuldner kommt in Verzug, wenn die Forderung fällig ist und angemahnt wird.
a) Verzug ohne Mahnung
- Der Mahnung bedarf es nach § 286 Absatz 2 BGB nicht, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist (Beispiel: Zahlung der Miete zum dritten Werktag des Monats) oder der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert.
- Verzug tritt automatisch 30 Tage nach Zugang einer Rechnung ein; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung besonders hingewiesen worden ist (Absatz 3 des § 286 BGB).
b) Sonderfall „geplatzter Lastschrifteinzug“:
- Die Rechtsprechung geht wohl mehrheitlich davon aus, dass im Fall, dass ein Lastschrifteinzug mangels Deckung „platzt“, eine sog. „Selbstmahnung“ des Schuldners vorliegt. Dann wird Verzug nach § 286 Abs. 4 BGB angenommen.
Der Diskussionsstand wird gut in der Entscheidung des LG Düsseldorf, 08.06.2017 – 14c O 169/15 (https://dejure.org/2017,36203) dargestellt.
c) kein „Überfall-Inkasso“
Auch wenn also juristisch ein Verzug ohne Mahnung möglich ist, spricht vieles dafür, dass in diesen Fällen der Gläubiger dennoch dem Schuldner das Einschalten eines Inkassounternehmens androhen muss, um die Inkassokosten geltend machen zu können. § 12 b) Satz 1 des „Code of conduct“ des BDIU besagt etwa: „In Fällen, in denen der Verzug des Schuldners ohne Mahnung durch den Gläubiger/Auftraggeber eingetreten ist, sollte mindestens einmal gemahnt worden sein.“
Im Folgesatz wird allerdings sogleich eine Ausnahme gemacht: „Eine Mahnung ist nicht notwendig, wenn dem Gläubiger/Auftraggeber die Schuldner-Adresse nicht vorliegt und ihm allein für Beschaffung der Schuldner-Adresse Kosten entstehen würden.“ Das ist etwa dann der Fall, wenn ein Kunde im Supermarkt oder Warenhaus mit Lastschrift zahlt und sodann der Einzug nicht gelingt. Dann kennt der Verkäufer ja in aller Regel gar nicht die Kontaktdaten des Kunden.
Mehr dazu im Ratgeber „Forderungsprüfung und Inkassokosten“ der BAG-SB unter 7.2.3
Zur Höhe der Inkassokosten siehe die Folgeseite.